Ver­ge­bung – war­um soll­te ich vergeben?

Ja – war­um soll­te ich ver­ge­ben? Zum Bei­spiel einem Men­schen, der mir schlim­mes ange­tan hat? Und wie geht das über­haupt, das Vergeben…?

Nun – zuerst die ers­te Fra­ge: war­um soll­te ich einem Men­schen ver­ge­ben? Oder einem Umstand – es gibt ja auch schreck­li­che Din­ge, an denen kei­ner wirk­lich Schuld hat. Zum Bei­spiel ein Unfall oder eine Krank­heit. Aber blei­ben wir mal bei der ein­fa­che­ren Vari­an­te – ein Mensch hat mir etwas ange­tan und jetzt soll ich ihm – qua­si als „Dan­ke­schön” dafür auch noch ver­zei­hen? Geht’s noch?

Ja, da sind wir schon bei dem gro­ßen Miss­ver­ständ­nis, das alles so kom­pli­ziert macht. Vie­le Men­schen den­ken, dass sie dem ANDEREN einen Gefal­len tun, wenn sie ver­ge­ben. Dem ist aber nicht so. Für den ande­ren Men­schen macht es näm­lich eigent­lich über­haupt kei­nen Unter­schied, ob ich ihm oder ihr ver­ge­be oder nicht.Aber für MICH macht es sehr wohl einen Unter­schied und zwar einen rie­si­gen! Einem Men­schen oder einem Umstand zu ver­ge­ben heißt näm­lich etwas im buch­stäb­li­chen Wort­sin­ne zu „ver­ge­ben”, also wie­der „weg zu geben”.
Ich erle­be das tat­säch­lich sehr häu­fig in mei­ner Arbeit mit Menschen.
Vie­le Men­schen, die unglück­lich sind oder gar trau­ma­ti­siert tra­gen noch etwas Altes mit sich her­um. Im wahrs­ten Sin­ne eine „Alt­last”, also eine alte Last.

Das macht man gar nicht mit Absicht, meist merkt man das noch nicht ein­mal. Es hat sich ein­fach so erge­ben oder ein­ge­spielt. Und nach eini­ger Zeit hat man sich dann rich­tig dar­an gewöhnt – es fällt kaum mehr auf. Außer, dass man eben etwas kraft­los oder unglück­lich ist. Wenn die Alt­last zu groß ist oder sich vie­le klei­ne­re ange­sam­melt haben, wird man dann immer müder, trau­ri­ger und sogar depressiv.

(Die­ses Video gibt es übri­gens auch auf Eng­lisch)

Ver­ge­bung – war­um soll­te ich vergeben?

Spä­tes­tens da wer­den dann auch vie­le Men­schen tätig und ver­su­chen die Depres­si­on los­zu­wer­den – doch das funk­tio­niert halt nicht. Man kann Depres­si­on, Trau­er oder Antriebs­ar­mut nicht ein­fach „los wer­den”. Man kann nur in sich selbst ergrün­den, auf was sie Dich auf­merk­sam machen wol­len – denn das ist ihre Funk­ti­on in der Welt. Alles hat einen Sinn und Zweck in die­ser Welt, doch manch­mal erschließt er sich nicht auf den ers­ten Blick.

War­um also soll­te ich nun ver­ge­ben? Aus dem glei­chen Grund, war­um man den Bio­müll regel­mä­ßig raus­brin­gen soll­te, denn tut man es nicht, fängt er an die Woh­nung zu ver­pes­ten und es macht kei­ne Freu­de mehr dar­in zu woh­nen. Genau­so ist es mit dem Kör­per, in dem Du wohnst: ernäh­re ihn gut, mache sport, erho­le ihn aus­rei­chend und – vergebe.

So – und wie geht das nun mit dem vergeben?
Vie­le von den Men­schen, mit denen ich gear­bei­tet habe, haben durch­aus nach bes­ten Kräf­ten ver­sucht ihre Alt­las­ten los­zu­wer­den. Haben ganz viel getan, um nicht mehr dar­un­ter lei­den zu müs­sen. Doch es hat nicht funk­tio­niert. Und viel­leicht merkst Du jetzt auch schon, war­um es nicht funk­tio­niert hat. Und viel­leicht wird Dir auch klar, war­um viel­leicht auch in Dei­nem Leben so man­ches noch aus der Ver­gan­gen­heit hängt und Dich blockiert.

Genau – es ist das Pro­blem mit dem los­wer­den wollen.
Auch, wenn Du jetzt schnell ver­suchst allen Men­schen und Situa­tio­nen zu ver­ge­ben, damit Du jetzt end­lich frei bist – auch das wird schei­tern, denn das ver­ge­ben ist kei­ne Kopf­ent­schei­dung. Es ist ein durch­füh­len von alten, abge­spal­te­nen Gefühlen.
Und das sind kei­ne schö­nen Gefüh­le, daher wur­den sie ja auch abgespalten:
Trau­er, Angst, Ekel, Scham, Wut sind da fast immer dabei. Manch­mal aber auch sub­ti­le, per­fi­de Emo­tio­nen, für die wir nicht ein­mal einen Namen haben.

Es ist nicht leicht, sich dem zu stel­len. Denn ers­tens sind die­se Gefüh­le meist sehr tief ver­steckt unter ver­schie­de­nen abweh­ren­den Schich­ten und zum ande­ren ist es ein schwie­ri­ger Balan­ce­akt – wie auf einem Berg­kamm: Zu sehr nach links und man rutscht in die Schlucht der Halt­lo­sig­keit, zu sehr rechts und man bleibt hän­gen in den Dor­nen­bü­schen der Kontrolliertheit.

Doch es lohnt sich, wenn man sich auf die­se Rei­se begibt. Es ist näm­lich gleich­zei­tig auch eine Rei­se der Selbst­er­kennt­nis und des Wachs­tums. Und ein jeder, der sich ganz ernst­haft auf die­sen Weg macht, wird Unter­stüt­zung und hel­fen­de Hän­de fin­den – man muss dafür noch nicht ein­mal an Gott, Engel oder hel­fen­de Wesen glau­ben. Das ist die­sen Wesen wurscht, sie hel­fen trotz­dem. UND Du wirst auch Men­schen und Umstän­de fin­den, die Dir bei­ste­hen kön­nen, wie zum Bei­spiel hof­fent­lich die­ses Video.

Fan­ge also mutig an – traue Dich ganz lang­sam Schritt für Schritt Dich Dei­nen eige­nen, dunk­len Fle­cken zu stel­len. Gehe ruhig hin­ab in Dei­ne dunk­len, inne­ren Kel­ler­ge­wöl­be und begin­ne damit, mehr und mehr die ver­sto­ße­nen Gefüh­le zurück­zu­ru­fen. Den­ke nicht soviel nach dabei – Gedan­ken und Erkennt­nis­se scha­den Dir auf die­sem Weg mehr, als dass sie nut­zen würden.

Und nach und nach wirst Du erle­ben, viel­leicht genau dann, wenn die Nacht am dun­kels­ten ist, dass sich ein Licht zeigt, am Ende des Tunnels…

Alles Lie­be,
Dirk.

2 Kommentare zu „Ver­ge­bung“

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