Sarah

Ich hat­te ges­tern einen Traum

Ich saß mit ande­ren Men­schen, ich den­ke wir waren so ca. 20 Jah­re alt, in einem Unter­richts­raum, der sich aller­dings in einem Hoch­haus befand. Wir saßen alle in recht ent­spann­ter Atmo­sphä­re ein­fach her­um. Das merk­wür­di­ge dar­an war, dass ab und zu jemand aus dem Fens­ter sprang,  anschei­nend aber ohne sich zu ver­let­zen.  Es war ein­fach ein Zeit­ver­treib. Nach­dem wie­der eine Frau aus dem Fens­ter gesprun­gen war, rief eine Ande­re: ” Ich glau­be nach ihr müs­sen wir gleich mal gucken gehen. Sie ist hier oben an der Ecke komisch auf­ge­schla­gen.”  Uns beun­ru­hig­te das nicht beson­ders. So saßen wir wei­ter eini­ge Zeit her­um.  Es hat­te sich aber ein latent unan­ge­neh­mes Gefühl aus­ge­brei­tet,  ob der Tat­sa­che, dass unten ein zer­stör­ter blu­ti­ger Kör­per lag.

Irgend­wann mach­te ich mich auf,  nach unten zu fah­ren und nach­zu­schau­en. Ich spür­te ein äußerst star­kes Sträu­ben in mir bei dem Gedan­ken die­sen, so war mein Aus­druck dafür im Traum, zer­matsch­ten Blut­klum­pen anse­hen zu müs­sen. Es war aber auch klar, dass sie dort lag und wir das nicht ein­fach igno­rie­ren konn­ten. Als ich unten ankam, konn­te ich schon durch ein gro­ßes Glas­fens­ter hin­durch den Kör­per sehen. Er sah genau­so grau­en­voll aus, wie ich es mir vor­ge­stellt hat­te. Ich wur­de von Angst und Abscheu erfasst, die kaum zu beschrei­ben sind und war heil­froh über die Glas­schei­be, die einen siche­ren Abstand garan­tier­te. Ich woll­te mich gera­de Abwen­den um einen Arzt zu rufen, als ich bemerk­te, wie sich die­ses ” Ding” beweg­te, den Kopf hob und mich aus gro­ßen Augen anblickte.

Mei­ne Angst ver­wan­del­te sich in Panik.  Sie war so ele­men­tar, dass ich es kaum in Wor­ten aus­drü­cken kann. Ich begann dann inner­halb mei­nes Trau­mes mei­ne Lage mit Abstand zu betrach­ten. Ich spür­te die unglaub­lich Angst und den Wunsch nur end­lich fort zu kom­men, um den Anblick aus mei­nem Gedächt­nis strei­chen zu kön­nen. Sah die Fens­ter­schei­be und den Abstand zwi­schen mir und dem Körper/ Blut­klum­pen. Und den Ärger dar­über, dass ich jetzt nicht ein­fach mehr weg­ge­hen konn­te, da die Frau ja noch leb­te. Ich hät­te mich am liebs­ten gewei­gert die­ses Pro­blem zu haben oder mich über­haupt mit die­ser Situa­ti­on aus­ein­an­der­set­zen zu müssen.

Mir erschien das Aus­maß der Angst sehr unge­wöhn­lich. Mir wur­de klar: ich muss mich dem jetzt stel­len. Ich wach­te auf, aber die Angst, fast Panik wur­de dadurch auch nicht weni­ger. Mei­ne Absicht aus dem Traum war aber eben­falls nicht gewi­chen, näm­lich ruhig zu blei­ben, wahr­zu­neh­men. Ich ließ mich ein­sin­ken in die Angst, wobei ich selbst den Rah­men bil­de­te, der mir den Halt gab, um nicht zu ver­sin­ken. Ich glitt anschei­nend auch halb wie­der in den Traum zurück. Ich sah wie­der, zusätz­lich zu mei­nen Gefüh­len die ich spür­te, den zer­malm­ten Kör­per, die gro­ßen Augen in dem völ­lig zer­stör­tem Gesicht. Und ich spür­te mein über­gro­ßes Bedürf­nis noch mehr Abstand herzustellen.

Das war der Moment, in dem irgend­et­was in mir klin­gel­te. Es konn­te doch nicht sein, dass dort ein Mensch lag, der zwar unvor­stell­bar absto­ßend aus­sah, der zwar fast tot war, aber trotz allem doch wohl eigent­lich mei­ne Hil­fe brauch­te. Die­se bei­den Erkennt­nis­se stan­den eini­ge Momen­te lang neben­ein­an­der in mir. Dann frag­te ich mich, was wohl in mir vor­ging, wenn ich dort läge? Gera­de noch ein nor­ma­ler Mensch, jetzt plötz­lich ein Mons­ter mit dem nie­mand etwas zu tun haben möch­te. Obwohl die Ursa­che ja die Ver­let­zun­gen waren, die drin­gend behan­delt wer­den muss­ten. Wür­de ich dort lie­gen, hät­te ich Angst, wäre völ­lig ver­schreckt, unsi­cher und schutz­be­dürf­tig. Als mir das klar wur­de bzw. ich es spü­ren, füh­len wahr­neh­men konn­te, wur­de mir auch klar, was ich zu tun hat­te. Ich durf­te die Distanz nicht ver­grö­ßern. Ich muss­te, in mir ver­bun­den mit dem eben Erkann­ten, den Abstand verringen.

Ich ging los und inter­es­san­ter Wei­se wur­de die Angst plötz­lich bedeu­tungs­los. Sie war wie ein Flir­ren, das das Mit­ge­fühl und das Bedürf­nis Schutz zu geben umgab. Tie­fer im Mit­ge­fühl vewur­zelt zu sein, als in der Angst, war eine Ent­schei­dung, die ich jeden Augen­blick neu tref­fen konn­te, wenn die Angst mich zu über­man­nen woll­te. Ich ging bis zu dem Kör­per, knie­te mich nie­der und bet­te­te ihn vor­sich­tig, aber auch ziem­lich ver­un­si­chert in mei­nen Scho­ße. Es war in die­sem Moment sehr deut­lich, dass die Angst und die Abscheu vor Etwas sich genau dadurch ver­än­dert, „trans­for­mier­ten” hat­ten, indem ich die Distanz zu deren Ursprung ver­rin­gert, anstatt ver­grö­ßert hatte .
Mich beru­higt das im Traum Gesche­he­ne. Ich konn­te trotz die­sen ver­stö­ren­den Gefüh­len einen Moment inne hal­ten, beob­ach­ten, wahr­neh­men. Dadurch erken­nen, dass etwas so nicht rich­tig läuft. Und die unab­än­der­li­che Absicht mich nicht lei­ten zu las­sen von der Panik. Ste­hen zu blei­ben, hin­zu­schau­en, die wider­sprüch­li­chen Gefüh­le neben­ein­an­der ste­hen zu las­sen. Zu ver­trau­en. Und zwar solan­ge, bis sich etwas zeigt.

Auch jetzt ver­spü­re ich noch die Erlö­sung die in dem Augen­blick lag, in dem sich die Abscheu und die Angst in Mit­ge­fühl und Lie­be ver­wan­del­ten und ich den blu­ti­gen und zer­stör­ten Kör­per in mei­ne Arme schlie­ßen konnte.

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