Die Fra­ge nach Gut und Böse ist eine Fra­ge, die uns im täg­li­chen Leben immer und immer wie­der begegnet.

Naja, natür­lich weni­ger oft in solch abso­lu­ter Form: Wird mich die­se Ent­schei­dung nun hin­ab füh­ren auf den Pfad der Fins­ter­niss oder hin­auf ins Licht? Nein – so eher sel­ten. Aber in klei­ne­rer Form, ver­steck­ter… ja da sicher­lich mehr­fach in der Woche oder gar pro Tag.

Spen­de ich die­sem Obdach­lo­sen jetzt Geld, wohl­wis­send, dass er es höchst­wahr­schein­lich in Alko­hol umset­zen wird? Kau­fe ich Akti­en einer Fir­ma, die ver­mut­lich wach­sen wird und obwohl ich weiß, dass die­se Fir­ma nicht wirk­lich ethisch ein­wand­frei arbei­tet? Gebe ich der Kas­sie­re­rin die 2 Euro zurück, die sie mir aus Ver­se­hen zu viel gege­ben hat? Flie­ge ich mit dem Flug­zeug in den Urlaub? Fah­re ich zum Ein­kau­fen, anstatt zu lau­fen? Mel­de ich einen Scha­den fälsch­li­cher­wei­se der Versicherung?

So etwas in der Art.

Die klei­nen Fra­gen nach Gut und Böse bezie­hungs­wei­se nach Rich­tig und Falsch sind es, die mir im Leben immer wie­der begeg­nen. Und in der Sum­me haben sie dann eben­so viel Macht, wie die gro­ßen Fra­gen aus Fan­ta­sy-Geschich­ten: erlie­ge ich den Ver­su­chun­gen der dunk­len Macht oder wand­le ich mit rei­nem Her­zen im Licht?

Gut und Böse – was ist Rich­tig und was ist Falsch?

In der Sum­me legen gera­de die­se klei­nen Ent­schei­dun­gen fest, in wel­cher Wei­se wir unser Leben führen.

Wer­den wir dadurch nun also edel­mü­tig oder nie­der­träch­tig? Gibt es über­haupt so etwas, wie einen rich­ti­gen und einen fal­schen Lebens­weg? Mach­te Mut­ter The­re­sa alles „rich­tig” und macht – sagen wir mal – Donald Trump alles „falsch”?

Nein.
Es gibt kein abso­lu­tes Rich­tig oder Falsch. Kein Gut und kein Böse. Und auch kei­nen Pfad zum Licht und kei­nen in die Dun­kel­heit. Die­se Illu­si­on ent­steht durch Glau­bens­kon­zep­te, die erwünsch­tes und uner­wünsch­tes Ver­hal­ten fest­le­gen. Reli­gio­nen, Geset­zes­nor­men und spi­ri­tu­el­le Glau­bens­sys­te­me sind dafür per­fek­te Beispiele.

Ja, wie also. Es ist also egal, wie wir leben? Es ist gleich, ob wir einer alten Dame über die Stra­ße hel­fen, oder ihr die Hand­ta­sche wegnehmen?

Ja und nein. Auf gro­ßer Ebe­ne ist es völ­lig gleich­gül­tig. Einen chi­ne­si­schen Reis­bau­ern inter­es­siert das nicht die Boh­ne und in 100 Jah­ren weiß nie­mand mehr, dass es Dich über­haupt jemals gab. Aber auf klei­ner Ebe­ne macht es durch­aus einen gewal­ti­gen Unter­schied. Doch auch hier nicht abso­lut gese­hen im Sin­ne von Rich­tig oder Falsch.

Es geht dar­um, wel­chen Erfar­hungs­raum Du in Dei­nem Leben betre­ten willst.

Natür­lich kannst Du einer alten Dame die Hand­ta­sche weg­neh­men, doch musst Du dann eben auch mit den Kon­se­quen­zen leben. Im Innen wie im Außen. Mög­li­cher­wei­se wür­dest Du star­ke Schuld­ge­füh­le bekom­men und dafür – vor allem, wenn Du es öfter machst – ins Gefäng­nis kom­men. Doch viel­leicht braucht es aber auch genau die­se Tat, damit Du die­se Kon­se­quen­zen erfährst und dann dar­an wächst.

Du nimmst viel­leicht in Dei­ner Jugend alten Damen die Hand­ta­sche weg und in Dei­nem rest­li­chen Leben küm­merst Du Dich dann lie­be­voll um hilf­be­dürf­ti­ge Menschen. 

Manch­mal sind gro­ße Feh­ler nötig, um gro­ße Ent­wick­lungs­schrit­te zu machen. 

Unse­re Gesell­schaft ist der­zeit sta­gniert. Sie krankt vor allem an der Grau­heit. An der ange­pass­ten, sicher­heits­ori­en­tier­ten Mit­tel­mä­ßig­keit. Dar­an, dass die Men­schen satt und gleich­gül­tig gewor­den sind und schal.

Es fin­den kaum mehr wirk­lich prä­gen­de Erfah­run­gen statt, denn die­se und das damit ver­bun­de­ne Wachs­tum brau­chen vor allem Pola­ri­tät. Also den Mut und die Frei­heit zwi­schen den Extre­men wäh­len zu können.

Es funk­tio­niert ein­fach nicht, dass wir einem jun­gen Men­schen davon erzäh­len, dass er hilfs­be­reit sein soll, stets höf­lich und selbst­los. Er muss die Erfah­rung machen, wie sich bestimm­te Hand­lun­gen anfüh­len und dann dar­aus sei­ne eige­nen Schlüs­se ziehen. 

Und das gilt letzt­lich nicht nur für jun­ge Men­schen, son­dern für alle Menschen.

Das Leben ist wie ein gro­ßes Yin-Yang-Sym­bol. Es ent­hält eine rie­si­ge Aus­wahl an Pola­ri­tä­ten, in denen wir uns bewe­gen kön­nen und auch sollen.

Selbst­lo­sig­keit ver­sus Ego­is­mus. Groß­zü­gig­keit ver­sus Geiz. Ver­trau­en ver­sus Angst. Und so wei­ter und so fort. Und ähn­lich wie im Yin-Yang fin­den wir häu­fig tief drin im Aller­dun­kels­ten wie­der das Hel­le – und umgekehrt.

In unse­rer Welt kann eine Qua­li­tät immer nur durch das Gegen­teil exis­tie­ren. Durch Licht ent­steht Schat­ten. Durch Was­ser ent­steht Durst. Durch Freu­de ent­steht Leid.

Es gäbe kei­ne Selbst­lo­sig­keit ohne den Ego­is­mus und nur durch die Erfah­rung von Ego­is­mus kön­nen wir im Lau­fe unse­res Lebens authen­ti­sche Selbst­lo­sig­keit ent­wi­ckeln. Nicht, indem wir es unzen­siert aus­le­ben. Son­dern indem wir bewusst erle­ben, spü­ren und erken­nen, was bestimm­te Erfah­rungs­räu­me auf Dau­er in uns und in den ande­ren bewirken. 

Und das braucht Zeit, Raum und vie­le, vie­le Erfah­run­gen. Ame­ri­ka war nicht reif für Oba­ma. Die­se Hin­wen­dung zum sozia­len und öko­lo­gi­schen Leben hat die meis­ten Ame­ri­ka­ner ein­fach über­for­dert. Daher kam Trump auf die Büh­ne. Ein­fach als Gegen­pol. Wohin wird es in der Zukunft gehen? Wohin wird das kol­lek­ti­ve Erfah­rungs­pen­del schwin­gen? Ich weiß es nicht – wobei ich ver­mu­te, dass es als nächs­tes wie­der eine gemä­ßig­te­re Kraft geben wird. Wäre das nun gut oder schlecht? Nichts davon – es wäre ein­fach so und hät­te wie­der ande­re Kon­se­quen­zen für Ame­ri­ka und die Welt.

Wie kann ich nun also gute Ent­schei­dun­gen treffen?

Das kannst Du nicht, denn es gibt sie nicht. Und man­che Ent­schei­dun­gen kannst Du noch nicht ein­mal tref­fen – es ist manch­mal eher so, dass sie Dich tref­fen. Was Du aber tun kannst ist, dass Du Dir in Dei­nem Leben Räu­me ein­rich­test, in denen Du inne hältst.

Das inne hal­ten und nach­spü­ren ist eine gute Mög­lich­keit, um zu erken­nen, wel­chen Erfah­rungs­raum Du gera­de durch­schrei­test und wie er sich anfühlt. Was er mit Dir und ande­ren Men­schen macht und ob Du das so willst? Nicht vom Ver­stand her, son­dern vom Herzen.

Du fin­dest dann auch schnell her­aus, ob der jet­zi­ge Erfah­rungs­raum ange­nom­men wer­den soll­te oder es eine Kurs­kor­rek­tur braucht. Im ers­te­ren Fall erkennt man oft, dass durch die Hin­ga­be an die äuße­ren Umstän­de das Wachs­tum gesche­hen kann. Im zwei­te­ren Fall wird oft deut­lich, dass man gera­de nicht genug auf sich auf­passt und man ein­fach sein Leben oder Aspek­te davon ver­än­dern sollte.

In bei­den Fäl­len fin­det man dann eben – so oder so – zu mehr Frie­den und Har­mo­nie im Leben.

In unse­ren Semi­na­ren öff­nen wir immer wie­der sehr inten­si­ve Räu­me und dann aber auch wie­der Räu­me der Stil­le und Innen­schau. Das zusam­men ergibt dann einen guten Nähr­bo­den für wah­re Selbst­er­kennt­nis. Also eben nicht nur das ver­stan­des­mä­ßi­ge Ver­ste­hen, son­dern Erkennt­nis auf allen Ebe­nen Dei­ner Existenz.

Wah­re Selbst­er­kennt­nis hat den Mut Gren­zen zu öff­nen und dann in die­sem grö­ßer gewor­de­nen Raum neue Erfah­run­gen zu machen. Die­se Erfah­run­gen durch­drin­gen uns dann in Kör­per, Geist und See­le und machen uns nach und nach immer mehr und mehr zu dem Men­schen, der wir sein können.

Auf die­sem Weg gibt es kei­ne Feh­ler. Es gibt sicher­lich vie­le „Irr­we­ge” und „Umwe­ge”, doch nur dadurch wach­sen wir in das Poten­ti­al hin­ein, wel­ches für uns vor­ge­se­hen ist.

Lebe Dein Leben inten­siv – nicht unbe­dingt durch­gän­gig und jeden Tag. Aber zumin­dest immer mal wie­der. Gib Dir die Chan­ce neue Erfah­rungs­räu­me zu betre­ten und habe den Mut sie dann auch wie­der zu ver­las­sen. Der Pfad eines leben­di­gen Men­schen ist ver­schlun­gen, wie der Lauf eines wil­den Flusses.

Erfah­re und wach­se. Lie­be und Lei­de. Hof­fe und Ban­ge.
Sei leben­dig in Dei­ner Weise.


Alles Lie­be,

11 Kommentare zu „Gut und Böse – was ist Rich­tig und was ist Falsch?“

  1. Karen Wüllenweber

    Dei­ne Gedan­ken zu Gut und Böse sind für mich eine Wohl­tat. Du sprichst wie aus mei­nem Her­zen, ich konn­te es bis­her nicht for­mu­lie­ren und freue mich sehr auf wei­te­re Komen­ta­re dei­ner­seits. Ein herz­li­ches Dan­ke dafür.

  2. Lie­ber Dirk,
    Dei­ne heu­ti­ge e‑mail hat mich ‑wie­der ein­mal-in einer Situa­ti­on erreicht, in der ich mich für ein „Wei­ter so ” oder für einen wei­te­ren, ehr­li­chen Schritt zu mir selbst und ” MEINEM” Leben ent­schei­den will…
    Ich schrei­be Dir über­haupt, weil ich falsch geklickt habe : Dei­ne Gedan­ken zu „Gut und Böse” habe ich in einem wich­ti­gen Augen­blick gelesen…
    Ich dan­ke Dir,
    lie­be Grüße
    Georg

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