Wachs­tum – war­um soll­te man über­haupt wachsen?

Das Grund­prin­zip allen Lebens ist das Wachstum.

Damit ist einer­seits das Wachs­tum in den vor­ge­ge­be­nen Bah­nen gemeint. Also zum Bei­spiel ein Baum, der immer höher wird. Oder ein Kind, wel­ches immer grö­ßer wird.
Doch das geschieht wei­test­ge­hend von selbst. Und das kann ja auch nicht alles sein, denn sonst könn­ten die Lebe­we­sen, allen vor­an der Mensch, ja Fei­er­abend machen, wenn er aus­ge­wach­sen ist. Also ganz kon­kret: Du bist über 20 – naja, dann war­te ein­fach nur noch dar­auf, dass Du stirbst. Und nicht weni­ge Men­schen schei­nen das ja auch so zu machen. Hat man manch­mal so den Eindruck.

Nein – es gibt durch­aus auch noch eine ande­re Form des Wachs­tums und die ist viel wich­ti­ger. Denn wäh­rend das rein – ich nen­ne es jetzt mal: mate­ri­el­le Wachs­tum – nicht wirk­lich tief geht und vor allem ver­gäng­lich ist, ist das – ich nen­ne es jetzt mal: spi­ri­tu­el­le Wachs­tum – eine ganz ande­re Geschichte.

Nein – eigent­lich mag ich es nicht „spi­ri­tu­el­les Wachs­tum” nen­nen. Denn die­ser Begriff ist sehr vor­be­las­tet. Ähn­lich wie der Begriff „Gott” oder „Lie­be” oder „Hei­lung”. Ich nen­ne die­sen Vor­gang jetzt ein­fach mal: „Die Erwei­te­rung” eines Men­schen. Und damit mei­ne ich, dass der Mensch am Ende sei­nes Lebens ein­fach „mehr” ist, als das, womit er mit sei­ner Geburt begann. Also mehr, als sei­ne „gene­ti­schen Anla­gen” und auch mehr als das, was er von Eltern und Schu­le gelernt hat. Auch mehr, als das blo­ße, ange­häuf­te Wis­sen unse­rer Zeit. Und DAS ist für mich der Sinn des Lebens.

Und nicht nur der Sinn MEINES Lebens – das ist zu kurz gedacht. Erwei­te­rung meint dabei all das, wo ich immer wert­vol­ler wer­de für das Wun­der des Lebens an sich. Wo mein Dasein nicht nur ein Aus­tausch von Sau­er­stoff und Koh­len­di­oxid ist. Wo mein Dasein nicht nur eine Auf­nah­me von Koh­len­hy­dra­ten ist und eine Aus­schei­dung von – naja, was man halt so ausscheidet.

Wachs­tum – was ist das?

Was wäre, wenn Du jeden Tag danach bemes­sen wür­dest, wie sehr Dei­ne Exis­tenz – jeder ein­zel­ne Tag davon, ja sogar jede Stun­de – ein Geschenk für die Mensch­heit war? Nicht nur für Dich oder nur für Dei­ne Fami­lie oder nur für Dei­ne Freun­de. Nein – für die Welt an sich – ohne Unter­schei­dung zwi­schen Dei­nem Dunst­kreis und Dei­nem „geht mir am Popo vorbei”-Kreis.

Es gibt im indi­schen die Meta­pher der Bod­hi­s­att­vas. Das sind Wesen, die durch Güte und Mit­ge­fühl – also kurz: Lie­be – ihre Kraft ein­set­zen zum Woh­le aller mit­füh­len­den Wesen. Men­schen und Tie­re und sogar Pflan­zen. Und ein Bod­hi­s­att­va – und das Bild fin­de ich beson­ders stark – wür­de ste­hen blei­ben vor den Toren zum Para­dies, wenn es auch noch ein Wesen gäbe, wel­ches noch nicht ein­ge­gan­gen ist ins Para­dies. Er tut das nicht mehr für sei­ne eige­ne Glück­se­lig­keit, son­dern für die Erleuch­tung der gesam­ten Welt.

Ein jeder Mensch hat in sich das Poten­ti­al – nein mehr als das – die Sehn­sucht zum Bod­hi­s­att­va. Und je mehr man sich annä­hert an die­sen Zustand der Lie­be zu allen Wesen, umso mehr befin­det man sich auch in einem eige­nen Zustand der Glück­se­lig­keit. Und nur so funk­tio­niert es. Je mehr Du Glück und Zufrie­den­heit um Dich her­um mehrst, umso erfüll­ter bist Du selbst. Ohne das gibt es auch kein „per­sön­li­ches” Glück.
Blöd dabei ist jedoch, dass der gegen­tei­li­ge Zustand – näm­lich das Unglück­lich­sein – wie schwe­rer Treib­sand ist. Sobald man drin­steckt, kämpft man nur noch um sein eige­nes Über­le­ben und die ande­ren Wesen gehen einem kräf­tig am Popo vor­bei. Nicht wahr?

Es bringt dann auch nichts, wenn man irgend­wo das Ding mit den Bodhis liest und dann cle­ver denkt: „Yep – so mache ich es. Ich bin für ande­re da, damit ich selbst erlöst werde.”

Nur wer ganz, ganz tief erkennt, dass es wirk­lich kei­ne ande­re Erfül­lung gibt im Leben, als sich dem Woh­le aller Wesen zu wid­men, der erlebt eine Erlö­sung und Befrei­ung ganz tief im Her­zen. Der erfährt, dass wir alle eine Ein­heit sind – wie vie­le Fin­ger an EINER gro­ßen Hand.

Das GANZE, Men­schen, Tie­re, Pflan­zen, Mut­ter Erde, Geist­we­sen und noch ganz vie­le Fin­ger mehr.

Aber wie kommt man nun dort­hin? Wo ist der rech­te Grat sich einer­seits um die eige­nen Belan­ge zu küm­mern – denn nur wenn mei­ne Grund­be­dürf­nis­se erfüllt sind, bin ich eine Quel­le – UND für die Belan­ge der Welt da zu sein?

Nun die Ant­wort ist ganz leicht. Sie ent­springt aber nicht dem Ver­stand, son­dern kommt aus dem Her­zen, von Gott, ausm Uni­ver­sum – wie Du es nen­nen magst. Wir kön­nen das Prin­zip der Erwei­te­rung ganz leicht ablei­ten aus dem Prin­zip des Wachs­tums. Nun, wie wächst denn ein Baum? In Schü­ben. Er wächst, er hält inne, er wächst und hält inne. Genau­so ist das auch mit der Erwei­te­rung. Du tust, Du hältst inne, Du tust, Du hältst inne. Im Klei­nen wie im Großen.

Im Klei­nen: Den Tag über wirkst Du in der Welt und des Abends reflek­tierst Du in Stil­le, was davon nun die Welt berei­chert hat. Und am nächs­ten Tag wirkst Du wie­der in der Welt – aus den Erkennt­nis­sen des Vorabends.

Im Grö­ße­ren: Du voll­ziehst einen Lebens­ab­schnitt – sagen wir mal: 3 Jah­re Büro­job. Dann kün­digst Du und reflek­tierst, was davon die Welt berei­chert hat. Nach 3 Jah­ren Büro­job wür­de ich mal sagen min­des­tens 3 Mona­te lang.
Dann suchst Du Dir einen neu­en Job – aus den Erkenn­tis­sen der Reflexionszeit.

Und im ganz Gro­ßen: Du lebst Dein Leben und wenn Du es been­det hast, reflek­tierst Du, was davon die Welt berei­chert hat. Dann inkar­nierst Du erneut – aus den Erkennt­nis­sen der Zeit, in wel­cher Du tot warst. Kei­ne Ahnung, ob das jetzt wirk­lich so ist, aber ich hal­te es für sehr wahrscheinlich.

Es braucht wirk­lich nicht mehr als das – han­deln, still­hal­ten, han­deln, still­hal­ten. Wenn Dein Leben sich in den immer ähn­li­chen, pro­ble­ma­ti­schen Krei­sen dreht, dann ist Dein still­hal­ten zu kurz.
Wenn Du den Kon­takt zu Men­schen ver­lierst, dann ist das still­hal­ten zu lange.

So – und wah­res Wachs­tum ist nun das Aus­maß der Erwei­te­rung der Lie­bes­fä­hig­keit. Das, wo Du mit Freu­de und Erfül­lung Dich um das Wohl­erge­hen aller Wesen küm­merst. Um Dich, um Dei­ne Kin­der, um Dei­ne Part­ner, um Dei­ne Freun­de, um die Tie­re und um alle Men­schen auf der Welt.

Und dazu braucht es nur ganz wenig „tun”.
Nie­mand muss erret­tet wer­den. Das ist Arro­ganz und zeugt meist daher, dass man sich selbst nicht „erret­tet” hat.

Meist reicht schon ein freund­li­ches Wort, ein lie­be­vol­ler Blick oder eine zar­te Berüh­rung – und vor allem da, wo es einem am schwers­ten fällt. Beim Pen­ner auf der Stra­ße, weil man Angst hat, er könn­te einen dann anbet­teln. Beim Ex-Mann, weil man Angst hat, er könn­te es als Bil­li­gung sei­nes unmög­li­chen Ver­hal­tens wer­ten. Bei wem auch immer, weil man wel­che Angst auch immer hat.

Und wenn es nicht klappt – naja, dann viel­leicht das nächs­te mal.

So ein­fach ist das mit dem Wachs­tum – in der Theorie.
Und in der Pra­xis? Fin­de es her­aus, wenn Du magst…

Alles Lie­be,
Dirk Liesenfeld.

4 Kommentare zu „Wachs­tum“

  1. Ein guter Bei­trag. Ein hilf­rei­che Bot­schaft zum einen und eine gute Erkennt­nis über Wachs­tum und Erwei­te­rung zum anderen. 

    Einen Schritt tun und dann ste­hen blei­ben zu können.
    Die Erkennt­nis, es jeden Tag, aus mei­ner eige­nen Erfah­rung heraus,
    anders machen zu dürfen.
    Zu fin­den was mich wirk­lich glück­lich macht.
    Zu wis­sen das ich es immer wie­der neu ver­su­chen kann zu glau­ben, das auch ich das Leben ande­rer berei­chern kann und irgend­wann zu erken­nen wie.

    Ja, das fühlt sich gut an und lässt mei­ne Gedan­ken ruhig werden.
    Prak­tisch aus­pro­bie­ren? Es ver­su­chen? Ja, war­um nicht.

  2. …und um wie vie­les schö­ner und bun­ter die Welt erscheint. Der Vogel auf dem Ast, die manch­mal lus­ti­gen Wol­ken­for­ma­tio­nen am Him­mel und selbst der Abwasch am Abend. Die Lie­be im All­täg­li­chen… Sicher­lich kön­nen nur weni­ge dem immer wie­der­keh­ren­den Staub in der Woh­nung etwas Schö­nes abge­win­nen, doch bedeu­tet er auf der ande­ren Sei­te nicht auch, hey ich habe über­haupt Din­ge, auf denen sich Staub ansam­meln kann. Wenn mein Sohn mal wie­der sei­ne Kla­mot­ten über­all ver­streut lie­gen lässt, kann ich schon mal miss­mu­tig wer­den, doch im nächs­ten Augen­blick weiß ich doch, sie gehö­ren zu mei­nem, im wahrs­ten Sin­ne, wert­volls­ten Schatz… und ich schmei­ße sie ein­fach ziel­los in sein Zim­mer ;o)

    Lie­ber Dirk, vie­len Dank, für dei­nen Bei­trag. Es tut gut, sich auch selbst immer wie­der ein­mal dar­an zu erin­nern. Mir gefällt beson­ders dei­ne Leich­tig­keit, mit der du erzählst… Waren es im Juni zwei Plüsch­ha­sen oder nur einer und eine Maus? 😯))

    Alles Lie­be auch für dich und eine zau­ber­haft schö­ne und bun­te Herbst­zeit für alle… Marina

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen