Die Dun­kel­heit in Dir und jedem Menschen

Fins­ter, fins­ter, fins­ter, fins­ter – Nur der Glüh­wurm glüht im Gins­ter – Und der Uhu ruft im Grun­de – Geis­ter­stun­de… „Die dunk­le Sei­te in mir. Wie soll ich die wegkriegen?”

Das ist eine Fra­ge, die ich oft höre.
„Was soll ich machen, wenn ich trau­rig bin, oder depres­siv, oder stinkendwütend?”
oder
„Manch­mal ist in mir ein­fach so ein schwar­zes Loch.”
oder
„Manch­mal möch­te ich ein­fach nur drauf­schla­gen, etwas kaputtmachen.”
oder auch der Klassiker:
„Da ist ein­fach so eine unter­schwel­li­ge Angst in mir und so eine Lebens­un­lust manchmal.”

Nun – die dunk­le Sei­te in Dir. War­um soll­test Du die weg­krie­gen wollen?
Ist mei­ne Gegen­fra­ge, die ich Dir stel­le. Wo steht geschrie­ben, dass das Dunk­le „böse” ist und „uner­wünscht”. Das steht noch nicht ein­mal in der Bibel so – glau­be ich 

Viel­leicht fan­gen all die Pro­ble­me erst damit an, dass man sich die­ser Sei­te in einem selbst ver­wehrt. Viel­leicht ist das Dunk­le ein genau­so wich­ti­ger Bestand­teil des Lebens, wie das Helle?

Nun – es ist eine Tat­sa­che, dass es ohne die Dun­kel­heit kein Leben auf der Erde gäbe, denn in der Dun­kel­heit ver­brau­chen zum Bei­spiel die Bäu­me das Koh­len­di­oxid, wel­ches die ande­ren Lebe­we­sen – zum Bei­spiel der Mensch – ausscheidet.
Und über­haupt ist es so, dass sich in der Dun­kel­heit die Natur und die meis­ten Lebe­we­sen rege­ne­rie­ren und neu­er­li­che Kraft für den Tag schöpfen.


Das Dunk­le ist wie das Licht ein wich­ti­ger Bestand­teil des Lebens. Fehlt eines von bei­dem, dann kommt die­ser wun­der­ba­re Kreis­lauf ins Sto­cken und wird schluss­end­lich versiegen.

Doch wir Men­schen schei­nen uns die­sem Anteil ver­weh­ren zu wol­len. Vor allem die reli­giö­sen und spi­ri­tu­el­len Men­schen füh­ren dage­gen – so zumin­dest erscheint es mir des öfte­ren – einen bestän­di­gen Kampf. Einen Kampf letzt­lich gegen sich selbst. Ein Kampf, der nie gewon­nen und nur ver­lo­ren wer­den kann.

Das Dunk­le in Dir hat die­sel­be Qua­li­tät, wie das soge­nann­te Hel­le – wenn man gut genug hin­blickt. Lässt man es jedoch unter einer Decke der Miss­ach­tung, so beginnt es zu ver­rot­ten und zu stinken.

Neh­men wir mal ein Bei­spiel – ein Bei­spiel, wel­ches selbst­ver­ständ­lich nicht auf Dich zutrifft, aber viel­leicht hilft es zur Ver­an­schau­li­chung. Neh­men wir mal die sexu­el­le Geil­heit. Wenn ein Mensch in sich eine star­ke sexu­el­le Lust trägt und sich die­ser aus – sagen wir mal – mora­li­schen oder reli­giö­sen oder spi­ri­tu­el­len Grün­den ver­wehrt, so führt die­se ursprüng­lich ganz neu­tra­le Lust frü­her oder spä­ter zur Per­ver­si­on. Por­no­gra­phie, Gewalt, kör­per­li­che Sym­pto­me sind eini­ge der Fol­gen daraus.

Gene­rell kann man sagen, dass sich durch die Ver­wei­ge­rung des soge­nann­ten Dunk­len auch das soge­nann­te Hel­le in einem Men­schen ver­dun­kelt. Alles wird ein grau­er Matsch. Und das ist, wie nicht weni­ge Men­schen leben. Nicht wirk­lich freud­voll, nicht wirk­lich unglück­lich – halt irgend­wo dazwischen.
Manch­mal gibt es hier eine klei­ne Eksta­se, manch­mal dort ein klei­nes Depres­si­ön­chen. Aber wirk­lich leben­dig in all sei­nen Aus­prä­gun­gen ist das nicht.
Das Licht braucht die Dun­kel­heit, denn wie soll­te es sonst scheinen?
Und die Dun­kel­heit braucht das Licht, denn wie soll­te man sie sonst wahrnehmen?

Die tiefs­ten Ele­men­te des Lebens sind Geburt und Tod – es braucht bei­des, damit es ein leben­di­ger Kreis­lauf ist. Und damit braucht es auch die Freu­de und den Schmerz. Das Wach­sen und Ver­ge­hen. Die Angst und die Hoff­nung, die Ver­wick­lung und die Entwicklung.

Was ist nun – in die­sem Sin­ne – Erleuchtung?
Nun, eine Mög­lich­keit Erleuch­tung zu erlan­gen ist die tie­fe, inne­re Ent­schei­dung, sich allen Aus­prä­gun­gen des Lebens zu öff­nen. Ganz zu füh­len – alle Aus­prä­gun­gen des Lebens als „gül­ti­ge” Aus­prä­gun­gen des Lebens zuzu­las­sen. Es ist so leicht, wenn man das tut. Und so unaus­halt­bar, wenn man es nicht tut.
Es ist etwas gänz­lich unspek­ta­ku­lä­res, denn es bedeu­tet nichts ande­res, als wie­der zu wer­den wie Kin­der, die noch nicht von der Welt ver­bo­gen wur­den. Lachen, wei­nen, lie­ben has­sen, küs­sen, weg­schie­ben, hof­fen ban­gen… Kin­der tun das noch in vol­ler Inbrunst. Machen sich kei­nen Kopf, gehen in jedem Gefühls­zu­stand voll auf. Ver­wei­gern sich nicht dem Dunk­len und suchen nicht stän­dig das Hel­le. Sie tra­gen noch nicht ein­mal die Unter­schei­dung in „Dun­kel” und „Hell” in sich. Sie sind frei und im Fluss – natu­ral­ly enlightend 

Was nun aber, wenn man schon in die Moral­fal­le getappt ist? Sich schon den gesell­schaft­li­chen Vor­ga­ben unter­wor­fen hat? In sich selbst das Gefäng­nis umher­trägt? So vie­le uner­füll­te und unter­drück­te natür­li­che Bedürf­nis­se in den tiefs­ten inne­ren Ker­ker gesperrt hat und ganz vie­le Kon­zep­te dar­auf­ge­legt; Kon­zep­te, dick wie Betonplatten.

Hm, ster­ben, neu inkar­nie­ren und hof­fen, dass es bes­ser wird.

Oder: Auf den Tod war­ten und hof­fen, dass man danach auto­ma­tisch ein­geht in irgend­ei­ne Art von Para­dies. Machen auch viele.

Oder aber – und das fin­de ich die schöns­te Her­an­ge­hens­wei­se – oder aber:
Aber nein – das ist jetzt zu absurd – das brau­che ich gar nicht erst zu sagen. Denn wer wür­de das schon machen. Wem wäre sein eige­nes Leben, sei­ne eige­ne Glück­se­lig­keit schon wich­tig genug solch einen wahn­wit­zi­gen Weg zu beschrei­ten? All das, wofür man so vie­le Jah­re geackert und gera­ckert hat in Fra­ge zu stel­len, für ein biss­chen inne­ren Frieden?
Naaah – ich glau­be wir belas­sen es für heu­te dabei…

oder willst Du es wirk­lich wis­sen? Den Aus­weg aus der Misere?
naja – die Ant­wort ist ganz leicht. Doch sie wird Dir nicht gefallen.
Die Ant­wort ist: „Lebe wild und gefährlich”.
Damit ist nicht gemeint, dass Du jetzt nur noch ver­ant­wor­tungs­los auf Kos­ten ande­rer her­um­prollst. Oder Dich von einer Klip­pe stürzt.
Nein, eher im Sin­ne von: „Lebe gelöst und natürlich.”

Damit ist gemeint, dass Du all den unter­drück­ten Bedürf­nis­sen in Dir Raum gibst.
Indem Du beginnst Dich selbst zu erfor­schen, wo es in Dir dun­kel ist.
Wo der Schmerz und die Angst sit­zen. Wo die Lebens­über­drüs­sig­keit beginnt.
Wenn Du dort genau hin­blickst, ent­deckst Du IMMER ein unter­drück­tes Bedürf­nis und dane­ben ein Angst­kon­zept, wel­ches das Bedürf­nis in Schach hält.

Am obi­gen Bei­spiel: Da fin­dest Du viel­leicht eine Depres­si­on, dar­un­ter eine sexu­el­le Lust und dane­ben den Wär­ter, der Dir klipp und klar sagt: „Ey Alter, mag sein, dass Du Lust hast auf kör­per­li­chen Schwein­kram. Aber – ey – da gibt es Krank­hei­ten, Schwan­ger­schaf­ten, Repu­ta­tio­nen und über­haupt – eines kann ich Dir sagen. Wenn Du Dich dar­auf ein­lässt daaaaannnn…”

Naja – und um das zu ver­deut­li­chen schickt das Angst­kon­zept nun noch eine ordent­li­che Por­ti­on Emo­tio­nen hin­ter­her – so eine Mischung aus Angst, Schuld­ge­fühl und Nie­der­ge­schla­gen­heit. Die­se Mischung hat bis­lang immer funktioniert.

Wie soll man solch eine Bar­rie­re durchbrechen?
Wie kann man ange­sichts einer sol­chen Über­macht bestehen?

Es gibt da nur eine ein­zi­ge Ant­wort, die wirk­lich funk­tio­niert: Nur, wenn der Wunsch nach Frei­heit, inne­ren Frie­den und Lie­be so groß ist, dass er wie eine mäch­ti­ge Son­ne den dunk­len Kel­ler erhellt, nur dann ist es möglich.

Und wenn Du in vol­lem Aus­maß rea­li­sierst, wie sehr Dei­ne Angst vor den dunk­len Sei­ten in Dir Dich Dei­ner Lebens­freu­de beraubt.

Nur dann bist Du bereit Dich Dei­nen dunk­len Antei­len wirk­lich und wahr­haf­tig zu stellen.

Gehen muss ein jeder den Weg nach Innen für sich.
Doch manch­mal ist es durch­aus hilf­reich, sich dabei von jeman­den ein klei­nes Stück­chen beglei­ten zu lassen.

Alles Lie­be,
Dirk Liesenfeld.

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