Auf einem Berg­gip­fel im Rie­sen­ge­bir­ge ste­hend, blen­det mich das wei­ße Licht der Mor­gen­son­ne. Ich set­ze mei­ne Son­nen­bril­le für mei­ne emp­find­li­chen Augen auf, um den Aus­blick zu genießen.

Ich schaue hin­ab ins Tal, wohl wis­send, das Leben aus der Fer­ne in einer Per­spek­ti­ve zu sehen, die mir die Mög­lich­keit gibt, das GANZE mit einem gro­ßen Abstand wahr zu neh­men. Wie leicht mir die­se Ansicht (ge)fällt. Und doch ste­he ich als Detail mit­ten­drin und bin Teil vom GANZEN. Ich betrach­te mei­ne nähe­re Umge­bung und an mei­nen Füßen den wei­ßen Schnee – eine Schnee­de­cke, die weich und flau­schig mei­ne Stie­fel und Schnee­schu­he bedeckt. 

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Die klei­nen Eis­kris­tal­le glit­zern im Son­nen­licht und erin­nern mich an Fest­lich­kei­ten – klei­ne Lich­ter, die in der Fer­ne fun­keln und mich ein­la­den, genau­er hin­zu­schau­en – ein klei­nes Ster­nen­meer am wei­ßen „Him­mel auf Erden“. Jedes ein­zel­ne Detail trägt mit sei­ner Rein­heit und Ein­zig­ar­tig­keit so viel Schön­heit in sich. Vol­ler Freu­de genie­ße ich die­sen Anblick.

Ich schaue wie­der in die Fer­ne hin­ab zum Tal und mein Herz ist ein wenig mit Trau­rig­keit erfüllt. Eine Art Zer­ris­sen­heit bewegt mich. Ich füh­le mich hier oben auf dem Berg sehr wohl. Hier ist es still, nur der raue Wind pfeift mir einen Käl­te­schau­er ins Gesicht. Ich spü­re ein­zel­ne klei­ne Nadel­sti­che auf mei­ner Haut und füh­le das Leben in mir. Obwohl ich weiß, dass unten im Tal Men­schen leben, die in ihrem täg­li­chen Tun – wel­cher Art auch immer – ihren mög­li­chen Bei­trag zur Schön­heit im Leben leis­ten, steht mit mir die Ein­sam­keit auf dem Berg. Ich kann sie spüren.

Die Fra­ge, ob es mir gelingt, täg­lich Schön­heit in die Welt zu brin­gen, beschäf­tigt mich, wäh­rend ich hier im Schnee ste­he und ins Tal bli­cke. Ich tue nach mei­nen Mög­lich­kei­ten mein Bes­tes. Mir ist bewusst, dass ich mei­nen Anteil tra­ge, die die­se Gesell­schafts­form am Leben hält. Die Schön­heit in mir und in Men­schen, denen ich begeg­ne, zu ent­fal­ten - ist es, was mich im Leben zieht. Ich übe mich in jedem Augen­blick dar­in. Es fällt mir nicht immer leicht und bin dann sehr erfreut, wenn sich die Schön­heit unver­hofft zeigt.

wolken25Wei­che graue Wol­ken schie­ben sich als Bild eines Was­ser­falls zu einer dicken Wat­te­schicht schüt­zend über das Tal. Der gesam­te Hori­zont ist auf der son­nen­ab­ge­wand­ten Sei­te davon erfüllt. 

Alles wirkt nun noch stil­ler. Das Tal und das Leben in der Fer­ne sind nicht mehr zu sehen. Dafür steht die Natur mit ihrer gan­zen Schön­heit und mit mir auf die­sem Berg. Dirk nimmt mei­ne Hand und doch ste­hen wir bei­de – jeder für sich allein – hier an die­sem Ort, in die­sem Leben. Die Son­ne scheint uns ins Gesicht, am Hori­zont strahlt die kla­re blaue Atmo­sphä­re – gepaart mit der wei­ßen Wol­ken­schicht auf der Son­nen­sei­te, der schnee­be­deck­te Berg – lie­gend unter unse­ren Füßen, der raue Wind – peit­schend auf unse­re Gesich­ter und die klei­nen Schnee­kris­tal­le in der Luft – die unse­re Haut rosig mas­sie­ren. Jedes Detail ver­bin­det sich mit uns. Wir sind Teil von Allem und doch steht jedes Detail für sich allein.

Mein klei­ner Rück­zug auf dem Berg macht mich ruhig, obwohl ich weiß, dass ich hier nicht für ewig blei­be und in die Men­ge der mensch­li­chen unkal­ku­lier­ba­ren Details ein­tau­che und mich jeden Tag wie­der neu mit ihnen einlasse.

Ich gehe wei­ter und genie­ße jedes ein­zel­ne Detail, wel­ches mir auf dem Wan­der­weg begegnet.

Car­men Arndt (Urlaubs­er­in­ne­rung, Janu­ar 2009)

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